Das Industrial Metaverse ist zwar erst im Aufbau, wird aber bereits als Nachfolger von Industrie 4.0 gehandelt. Es verknüpft mithilfe von virtuellen Zwillingen cyber-physische Systeme zu einer komplett virtualisierten industriellen Umgebung, in der sich beliebig viele Testszenarien auf Basis digitaler Daten aus der realen Welt durchführen lassen. Unternehmen profitieren in vielerlei Hinsicht: Sie können zum einen aufgrund besserer Entscheidungen ihre Produktivität, Effizienz und Innovation erhöhen und zum anderen durch die nahtlose Vernetzung die Prinzipien einer Kreislaufwirtschaft frühzeitig in ihre Prozesse integrieren. Erfolgsfaktoren, die nachhaltiges Wachstum begünstigen.
Was ist das „Industrial Metaverse“?
Der englische Begriff „Metaverse“ beschreibt ein Konzept, bei dem ein digitaler Raum durch das Zusammenwirken drei unterschiedlicher Realitäten geschaffen wird: der virtuellen Realität (VR), der erweiterten Realität (AR) und der physischen Realität. Im industriellen Umfeld wird das Metaverse langfristig den Begriff Industrie 4.0 ablösen, denn das Konzept geht weit über den digitalen Zwilling und die Digitalisierung der Produktion hinaus.
Ziel des Industrial Metaverse ist es, ein vollständig vernetztes industrielles System als virtuellen Zwilling abzubilden und diesen mit realen Systemen in der Umgebung in Interaktion treten zu lassen. Das 3D-Modell des digitalen Zwillings wird dabei um Meta- und Betriebsdaten sowie um Visualisierungstechnologien ergänzt. Der daraus entstehende virtuelle Zwilling wird anschließend einem steten Soll-Ist-Abgleich zwischen digitaler Planung und realer Situation unterzogen. Treten Abweichungen auf, können Unternehmen diese einfach erkennen, dank der universellen Sprache 3D, und schnell reagieren.
Um den maximalen Nutzen aus virtuellen Zwillingen ziehen zu können, ist jedoch ihre schrittweise Weiterentwicklung im Zusammenspiel mit Technologien wie etwa künstliche Intelligenz (AI), dem Internet der Dinge (IoT) oder Cloud Computing erforderlich. Das Industrial Metaverse erweitert damit die Nutzung digitaler Simulationen über diskrete physische Maschinen hinaus auf mehrere miteinander verbundene Anlagen und Prozesse, und schließlich auf erweiterte vor- und nachgelagerte Aktivitäten zum Beispiel die Konstruktion, das Engineering oder Transportsysteme. Erst dann lässt sich ein virtueller Zwilling aufbauen, der alle Daten und Informationen in einem digitalen 3D-Modell vereint und für die strategische Entscheidungsfindung über die gesamte Wertschöpfungskette zur Verfügung steht. Dies ist gerade mit Blick auf Krisen und den weltweiten Klimawandel wichtig. Die richtigen Entscheidungen zu treffen ist heute erfolgskritisch.
Echtzeitanalysen schaffen Durchblick
Die Modellierung und Simulation komplexer Systeme versetzt Unternehmen in die Lage, digitale Was-wäre-wenn-Szenarien basierend auf Echtzeitdaten zu erstellen, die mittels Sensoren und IoT-fähigen Geräten im realen Betrieb gesammelt werden. Diese Simulationen geben wertvolle Einblicke in die Abläufe von Maschinen, Anlagen und Prozesse und werden für die Industrie zu einem unverzichtbaren Werkzeug für die Überwachung und Steuerung der realen Welt. Da der virtuelle Zwilling nicht nur Daten aus der Vergangenheit und Gegenwart analysiert, sondern mit KI-basierten Algorithmen auch den Blick in die Zukunft gewährt, können Entscheidungsträger zurückliegende Aktivitäten analysieren und künftige Aktivitäten sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene vorhersagen. Dadurch lassen sich Probleme frühzeitig identifizieren und eliminieren oder im besten Falle von vornherein ausschließen.
Das Industrial Metaverse ermöglicht es somit, Auswirkungen auf die reale Welt bereits in der virtuellen Welt zu bewerten und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Eine Fähigkeit, die insbesondere rund um das Thema Nachhaltigkeit immer stärker an Bedeutung gewinnt. Denn Unternehmen stehen hier vor großen Herausforderungen: Einerseits sollen sie langfristige Rentabilität erreichen und andererseits sollen sie die dafür notwendigen Ressourcen schonen. Die Lösung liegt im Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, welche die Ressourceneffizienz entlang der gesamten Wertschöpfung erhöht und gleichzeitig die Optimierung von Geschäftsprozessen unterstützt.
Kreislaufwirtschaft braucht Vernetzung
Dieses Ziel lässt sich allerdings nur erreichen, wenn Unternehmen digital durchgängig vernetzt sind und eine plattformbasierte, datengesteuerte Arbeitsweise fördern, welche die kollektive Intelligenz aller Fachbereiche und des Ökosystems bündelt. Dieser multidisziplinäre Ansatz erlaubt simultane Modellierungs- und Simulationsprozesse, um beispielsweise schon in der Konstruktionsphase eines Produktes alternative nachhaltigere Materialien zu finden und deren Eigenschaften zu simulieren. Da die eingesetzten Ressourcen im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft nach der jeweiligen Nutzungsdauer wieder in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt werden sollen, müssen auch Demontageprozesse und Reparaturschritte wie vieles andere bereits im Produktdesign und Prozessmanagement geplant werden.
Die Vernetzung kommt auch dem Abfallmanagement eines Unternehmens zugute. Abfälle aus der Produktion könnten an anderer Stelle im Betrieb eine Ressource darstellen. Auf diese Weise lassen sich geschlossene Wertstoffkreisläufe innerhalb des Unternehmens erzeugen. Falls dies nicht möglich ist, sollten Unternehmen ihr bestehendes Ökosystem hinzuziehen oder neue Partnerschaften eingehen. Denn was für den einen Müll ist, kann für den anderen eine wertvolle Ressource darstellen.
Industrial Metaverse als Enabler
Das Industrial Metaverse geht über Industrie 4.0 hinaus und eröffnet Unternehmen die Chance, mit den Erfahrungen von gestern, die Herausforderungen von morgen bereits heute zu adressieren. Vorausgesetzt, sie haben frühzeitig die Weichen auf Digitalisierung gestellt. Nur so können sie die Vorteile einer strukturellen Vernetzung nutzen, um intelligente virtuelle Zwillinge zu erstellen. Diese geben Unternehmen die Möglichkeit, Entscheidungen fundierter und schneller zu treffen, Anpassungen in der Wertschöpfungskette agil vorzunehmen, die Qualität ihrer Produkte und Prozesse zu erhöhen und das Potenzial einer Kreislaufwirtschaft zu heben.